1892-2017
125 Jahre Wa­l­zen­gie­ße­rei Cos­wig
Fak­ten. Bil­der. Ge­schich­ten

Für die Fir­men­ge­schich­te der Wa­l­zen­gie­ße­rei habe ich mich durch me­ter­wei­se span­nen­der Akten ge­le­sen, In­ter­es­san­tes über Me­tall­ur­gie im All­ge­mei­nen, den Wa­l­zen­guss im Spe­zi­el­len, über De­mon­ta­ge und Fe­ri­en­quar­tie­re, Schal­mei­en­ka­pel­len und Ma­nage­ment-Buy-out ge­le­sen und ge­lernt. Peter Män­nig hat Texte und Bil­der zu einer tol­len Chro­nik ver­eint, die uns und den Kun­den sehr glü­ck­lich ge­macht hat.

Meine Leis­tun­gen

Die Chro­nik der Wa­l­zen­gie­ße­rei ent­stand wäh­rend eines hal­b­en Jah­res nach in­ten­si­ver Re­cher­che­a­r­beit im Ar­chiv des Un­ter­neh­mens und aus­führ­li­chen Zeit­zeu­gen­ge­sprä­chen.
Das ta­ge­wei­se Ab­tau­chen in den um­fang­rei­chen Ak­ten­be­stand, al­lein in den Kel­ler­räu­men des Ver­wal­tungs­ge­bäu­des in Cos­wig, ver­sorgt mit einer gro­ßen Kanne Kaf­fee aus dem Vor­zim­mer des Ge­schäfts­füh­rers, war nicht nur enorm pro­duk­tiv, son­dern auch aus­ge­spro­chen be­glü­ckend. Ich liebe nun ein­mal die Re­cher­che in Ori­gi­nal­un­ter­la­gen. Eben­so wie die Ar­beit mit wert­schät­zen­den und sym­pa­thi­schen Kun­den. Hier traf alles zu­sam­men.
Als sehr er­gie­big er­wie­sen sich die Ge­sprä­che mit den Zeit­zeu­gen, die ich auf­zeich­ne­te und deren In­halt Stoff für manch eine der Sto­ry­tel­ling -Pas­sa­gen in der Chro­nik lie­fer­te.
Nach der Bild­aus­wahl und der Zu­ord­nung der Ab­bil­dung er­folg­te der Druck­satz durch Peter Män­nig und pünkt­lich zur Fest­ver­an­stal­tung hielt der Kunde seine Fir­men­ge­schich­te in der Hand.

Le­se­pro­be

Neben der Ver­wal­tung, in der Schimm am nächs­ten Mor­gen sei­nen Ar­beits­ver­trag un­ter­schrieb, saß der Schus­ter Adam Petri in sei­nem klei­nen Holz­häus­chen und schien be­reits auf ihn ge­war­tet zu haben. „Du bist be­stimmt der Neue. Ich mach dir mal paar Holz­schu­he fer­tig. Mit den Schu­hen“, und er deute dabei mit sei­nem schwie­li­gen Dau­men auf Schimms alte Ar­beits­schu­he, „wirst du hier nicht froh. Setz dich mal hin! Hast du dich schon um­ge­se­hen im Ge­län­de?“ Der Schus­ter war of­fen­bar zu­frie­den, einen Zu­hö­rer ge­fun­den zu haben. Schimm schüt­tel­te den Kopf. Es roch in­ten­siv in der klei­nen Bude – nach Schmier­fett, nach Leder, aber auch nach ver­seng­tem Holz. „Weißt du“, be­gann der Schus­ter, „wir haben hier zwei ge­trenn­te Gie­ße­rei­li­ni­en, ein­mal die Wa­l­zen­guss­ab­tei­lung und die Form­guss­ab­tei­lung. Dort drü­ben, unter der alten Kran­bahn, ist die Hand­for­me­rei, und hin­ter der Put­ze­rei ist die Ma­schi­nen­for­me­rei.“ Mit gro­ßen Ges­ten deu­te­te Petri erst in die eine, dann in die an­de­re Rich­tung, be­hielt den Holz­schuh, an dem er ar­bei­te­te, dabei be­stän­dig in sei­ner kräf­ti­gen Hand. „Hier hin­ten“, fuhr er fort, „stand vor ein paar Jah­ren noch ein Flamm­o­fen, aber in dem ist nicht viel ge­schmol­zen wor­den. Den haben sie schon bald wie­der ab­ge­baut.“ Der Schus­ter schmun­zel­te und mein­te: „Der war außen aus Zie­gel­stei­nen ge­mau­ert, der Ofen. Kanns­te dir ja den­ken, wie die alle ver­rückt nach den Zie­geln waren für ihren Kar­ni­ckel­stall oder für die Ga­ra­ge. Ich nenne mal keine Namen, aber einer hatte wirk­lich da­mals eine Ak­ten­ta­sche, in die genau ein Zie­gel pass­te, und dann hat der jeden Tag einen mit­ge­nom­men, bis er sich die Rü­ck­wand sei­ner Ga­ra­ge dar­aus bauen konn­te, das glaubst du nicht!“ Petri reich­te Schimm den rech­ten Schuh. „Fahr mal rein, ob der so passt!“ Noch wäh­rend der junge Kol­le­ge den Schuh pro­bier­te, be­gann der Schus­ter den lin­ken Holz­schuh für ihn vor­zu­be­rei­ten, ohne je­doch seine Er­zäh­lung zu un­ter­bre­chen. „Und dann war da mal einer, der ist jeden Abend mit ner Schub­kar­re vol­ler Sä­ge­spä­nen am Pfört­ner vor­bei nach Hause ge­gan­gen. Am An­schluss­gleis, dort vorn, 20 Meter wei­ter, hat er die Karre aus­ge­kippt und am nächs­ten Abend die nächs­te Karre mit­ge­nom­men. Ich kann dir sagen …“, lach­te Petri, und auch Schimm konn­te sich ein Grin­sen nicht ver­knei­fen, denn er wuss­te genau, dass diese und ähn­li­che Ge­schich­ten al­lent­hal­ben wei­ter­er­zählt wur­den und in­zwi­schen kei­ner mehr wuss­te, ob und wo sie tat­säch­lich pas­siert waren. Mitt­ler­wei­le war auch der zwei­te Schuh fer­tig, pass­te eben­so gut wie der erste, und als Schimm dan­kend das Häus­chen ver­ließ, rief ihm Petri noch nach: „Wenn du zur Schicht kommst, greifst du hier in die Schmier­fett­ton­ne und fet­test immer mal nach, dann bleibt das Leder län­ger ge­schmei­dig!“