Bernd Winkler
Ich war so frei. Mein kleiner Kapitalismus in der DDR und was daraus geworden ist
Die Gedankenflut von Bernd Winkler konnte von Frau Männig mit viel Feingefühl gebändigt werden. Mit ihrem konkreten und dennoch detailreichen Stil nahm sie den roten Faden auf und verlieh durch gut lesbare Portionen dem Text Struktur. Durch die schrittweise Bearbeitung war es möglich sich stets abzugleichen. Wir sind dankbar, dass wir in Frau Männig jemanden gefunden haben, die sich als vertrauensvolle, kompetente und zuverlässige Person erwiesen hat.Mandy Koplin und Iris Winkler
Meine Leistungen
Der Weißenbrunner Gastronom Bernd Winkler bewirtschaftete 45 Jahre lang den Lindengarten in Weißenbrunn bei Zwickau. Der ansehnliche Wohlstand der 80er Jahre, den Fleiß, Geschick und persönlicher Einsatz gemehrt hatten, zerrann dem umtriebigen Geschäftsmann in den ersten Jahren nach der Wende zwischen den Fingern. Erfahrungen aus 25 Jahren erfolgreichen privatwirtschaftlichen Wirkens innerhalb der Planwirtschaft hatten selbstbewusst gemacht, doch schützten sie nicht vor Fehlentscheidungen. Seinen Weg zurück zu Wohlstand und Ansehen beschreibt Bernd Winkler in seinen biografischen Aufzeichnungen ebenso, wie den vorangegangenen Abstieg. Von schwerer Krankheit gezeichnet, arbeitete er bis zuletzt an seinem Manuskript, das Lebensgeschichte, Wendeerzählung und eine facettenreiche Schilderung des Lebens in der DDR in einem ist. Die Fertigstellung seines Buches hat er nicht mehr erlebt.
Ich strukturierte, straffte und korrigierte die vorliegenden Aufzeichnungen und nahm behutsame Veränderungen in Stil und Duktus vor. Nach der Bildauswahl und -zuordnung erfolgte der Drucksatz durch Peter Männig.
Leseprobe: „Bei Alex“
Meine Mutter bereitete in der kaum 11 Quadratmeter kleinen Küche hinter dem Gastraum solide Hausmannskost zu, von der noch Jahre nach ihrem Tod gesprochen wurde. Dabei waren die Möglichkeiten nicht nur aus heutiger, sondern auch aus damaliger Sicht bestürzend schlicht. Es gab lediglich einen elektrischen Herd, der später durch einen Gasherd ergänzt wurde. Sowohl die Küchenmöbel als auch ein Großteil der Einrichtung unserer Wohnung hatten nach dem Ende des Krieges mit der Mutter den Weg von Polen über Freital hierher gefunden. Das Geschirr wurde in einer Emailleschüssel abgewaschen, und der einzige Anklang an den Fortschritt fand sich in Gestalt eines Kühlschranks, der allerdings nur im Nebenraum Platz hatte.
Mein Vater kümmerte sich um die Gäste, und das tat er mit viel Hingabe. Die erste Runde Wodka gab es für gewöhnlich schon morgens, wenn der Briefträger seine prall gefüllte Ledertasche für einen Moment auf dem Stammtisch absetzte, ehe er gestärkt weiterzog.
Machte meine Mutter den Lindengarten durch ihre schmackhafte Hausmannskost bekannt, so trug mein Vater als allseits beliebter Gesellschafter ebenfalls zum guten Ruf der Gastwirtschaft bei. Das bestehende persönliche und joviale Verhältnis zu seinen Gästen wurde in schöner Regelmäßigkeit dadurch gefestigt, dass Gast und Gastwirt sich gegenseitig einen ausgaben. Der Wirt hörte zu bei Sorgen und Kummer, bei Freude und Belanglosem und hin und wieder schenkte er die leeren Gläser nach. Mein Vater Alexander war Alex. Alex war der Lindengarten. Der Lindengarten war Alex.