Rai­ner Pöhlmann. Mein Leben.
Ge­dan­ken und Er­in­ne­run­gen

er­schie­nen im Juli 2015 bei der FOR­MAT Dru­cke­rei & Ver­lags­ge­sell­schaft
ISBN: 978-3-944829-38-8 | 168 Sei­ten | 24,50 €

Rai­ner Pöhlmann be­rich­tet in sei­nen Le­bens­er­in­ne­run­gen vom un­be­schwer­ten Auf­wach­sen zwi­schen Hal­den und Gru­ben des Al­ten­bur­ger Braun­kohl­e­re­viers, von den klei­nen und gro­ßen Aben­teu­ern der Kind­heit und Ju­gend, aber auch von Be­geg­nun­gen und Ent­schei­dun­gen des Er­wach­se­nen, die sein Leben präg­ten und ver­än­der­ten.

Er­zählt wird von Kund­schaf­ter­aus­bil­dung in West­ber­lin und Un­ter­su­chungs­haft in Leip­zig, von so­zi­a­lis­ti­scher Plan­wirt­schaft im VEB Hart­pap­pe, vom Sprung in die Markt­wirt­schaft mit der Thü­rin­ger Fi­ber­trom­mel GmbH, von Fa­mi­lie, von Freun­den, von Schick­sals­schlä­gen, Nie­der­la­gen und Er­fol­gen.

Meine Leis­tun­gen

An die­ser Le­bens-und Fir­men­ge­schich­te ar­bei­te­te ich mit ei­ni­gen Un­ter­bre­chun­gen ein­ein­halb Jahre. Einen Teil der his­to­ri­schen In­for­ma­ti­o­nen fand ich in der Se­kun­dä­r­li­te­ra­tur, das al­ler­meis­te Ma­te­ri­al je­doch ge­wann ich aus lan­gen Ge­sprä­chen mit Rai­ner Pöhlmann, der frei­mü­tig, ehr­lich und ohne Pa­thos über sein Leben sprach.

Aus einer über­wäl­ti­gen­den Fülle von Un­ter­la­gen und Fo­to­gra­fi­en wähl­te ich Ab­bil­dun­gen für die Pu­bli­ka­ti­on aus. Das Lay­out be­sorg­te sach­kun­dig und mit sehr viel Liebe zum De­tail mein Mann, Peter Män­nig.

Ent­stan­den ist ein ein­drucks­vol­les Zeug­nis eines be­weg­ten Le­bens.

Le­se­pro­be

Die Mut­ter

An einem kal­ten und win­di­gen Tag kurz vor Weih­nach­ten 1945 brach­te mich meine Mut­ter nach Ro­sitz. Ich war ge­ra­de vier Wo­chen alt, trug ein dün­nes Jäck­chen und lag in einem schmud­de­li­gen Steck­kis­sen – ein Kind, das nicht ge­wollt war. Mein Vater und seine Frau nah­men mich in Emp­fang. Die Mut­ter ging. Ich blieb.

Schon wäh­rend ihrer Schwan­ger­schaft hatte meine Mut­ter Kon­takt zu mei­nem Vater und des­sen Frau auf­ge­nom­men und deut­lich ge­macht, dass sie das Kind, das in ihr wuchs, nicht auf­zie­hen könne und wolle. Ihr Mann stand im Felde, wuss­te nichts von ihrer Af­fä­re, und au­ßer­dem muss­te sie sich um ihre bei­den Töch­ter küm­mern.

Ich bin sehr dank­bar und froh, dass sich die Frau mei­nes Va­ters, von der ich nie an­ders als von MEI­NER MUT­TER spre­chen kann, in die­ser schwie­ri­gen Si­tua­ti­on für mich ent­schied. Die Ehe mei­ner El­tern war kin­der­los ge­blie­ben und meine Mut­ter in­zwi­schen 45 Jahre alt. Sie nahm mich an die­sem trü­ben Win­ter­tag in ihr Leben und ihr Herz auf, wie eine leib­li­che Mut­ter ihr ei­ge­nes Kind. Eine bes­se­re Mut­ter konn­te ich mir nicht wün­schen, und hätte nicht die Mut­ter eines Freun­des vor­wit­zig das Ge­heim­nis aus­ge­plau­dert, ich wäre nie auf den Ge­dan­ken ge­kom­men, dass die Frau, die mich mit so viel Liebe und Zu­nei­gung groß­zog, nicht meine leib­li­che Mut­ter sei.

Ich kam in eine klei­ne Fa­mi­lie hin­ein, die nicht nur die Zeit des Kin­der­krie­gens, son­dern auch die glü­ck­lichs­ten Ehe­jah­re be­reits hin­ter sich hatte. Ich tue mei­nen El­tern si­cher kein Un­recht, wenn ich be­haup­te, dass ihre Ehe in die­ser Zeit be­reits kaum mehr war als eine Zweck­ge­mein­schaft. Dass mein Vater gern nach an­de­ren Frau­en sah, war si­cher einer der Grün­de dafür. Im Üb­ri­gen er­in­ne­re ich mich nicht daran, dass er zu ir­gend­ei­nem Zeit­punkt ein­mal über sei­nen Fehl­tritt in Glauch­au ge­spro­chen hätte, auch von be­son­de­rer Dank­bar­keit mei­ner Mut­ter ge­gen­über, die sein Kind vol­ler Hin­ga­be und Liebe auf­zog, habe ich Zeit sei­nes Le­bens nie etwas be­mer­ken kön­nen. Al­ler­dings ver­mu­te ich, dass meine Mut­ter eine An­er­ken­nung dafür nie er­war­tet hat und wohl in stil­len Stun­den eher dem Vater dank­bar war, nun einen Sohn zu haben. Ich wuchs so be­hü­tet unter ihren für­sorg­li­chen Hän­den auf, dass ich spä­ter schon bei­na­he in den Ruf eines „Mut­ter­söhn­chens“ ge­ri­et. Wir muss­ten uns von­ein­an­der lösen. Doch in Wahr­heit ge­hör­ten wir zu­sam­men. Das wuss­ten wir beide.