„Zur Milch ist stets das Brötchen zu genießen …“
Die Jugendpflege in Leipziger Schrebervereinen um 1900
in: Leipziger Blätter 53, Herbst 2008, S. 82-83
Eben so wenig, wie Moritz Schreber der Gründer des ersten Schrebervereins war, wurden diese Vereine in ihren Anfängen als Kleingartenvereine verstanden. Vielmehr stand eine Spielplatzinitiative eines der Weggefährten Schrebers im Mittelpunkt der ersten Vereinsgründung. Ernst Hausschild, selbst Vater und Direktor der 4. Bürgerschule, der sich tagtäglich mit den Folgen der Industrialisierung für die Gesundheit der Heranwachsenden konfrontiert sah, machte es sich mit einigen Gleichgesinnten zur Aufgabe, Spielplätze für Kinder zu schaffen. Die Kinder sollten aus ihren allzu oft ungesunden Wohnverhältnissen herausgebracht werden.
Bereits wenige Jahre nach den ersten Schrebervereinsgründungen entstand die Idee, kränklichen (häufig unterernährten) schulpflichtigen Kindern während der Schulferien im Sommer die Möglichkeit zu geben, sich zu erholen und sich durch gesunde Ernährung insgesamt zu kräftigen.
Wie einige ausgesuchte Leipziger Vereine sich dieser Aufgabe annahmen, beschreibt der Beitrag.
Leseprobe
Am Eröffnungstag versammelten sich die Kinder morgens gegen 7 Uhr auf dem Schreberplatz, um erstmalig Milch und Gebäck in Empfang zu nehmen, und gegen 17 Uhr fand die zweite “Speisung” statt. Im Lindenauer Verein bekamen die Kinder zwischen 1891 und 1915 zweimal täglich einen halben Liter Milch und ein Brötchen. Der Schreberverein “Erholung”, der vermutlich erst um 1912 mit der Einrichtung einer Milchkolonie begann, gibt an, einen halben Liter Milch und eine Semmel an die bedürftigen Kinder ausgeteilt zu haben. Was die Zahl der beköstigten Kinder betrifft, liegen zwischen den einzelnen Vereinen mitunter Welten. Der Schreberverein Leipzig Lindenau, der im ersten Jahr mit 96 Kindern aus den Lindenauer und Plagwitzer Bezirksschulen begann, hatte 1894 von angemeldeten 500 Kindern 340 beköstigen können und bis zum Beginn des ersten Weltkrieges alljährlich zwischen 250 und 300 Kinder mit zwei Mahlzeiten verpflegt. Finanzielle Unterstützung erhielten die Vereine vom Stiftungsamt der Stadt. Den “Milchkolonien” aber ging es nicht nur um eine gesunde Ernährung, ein großer Teil ihrer Aktivität bestand in der Organisation von Spielen, Wanderungen, Badegängen und Ausflügen, die sich an die morgendliche Milchausgabe anschlossen und die Kinder bis zur abendlichen Speisung beschäftigten. “Spaziergänge, Spiel, bei ungünstiger Witterung Gesang und Deklamation in der Halle hielten die Kinder nach dem Genusse der Milch noch für einige Stunden zusammen.”